Kleine Schwert-Taxonomie
Tuesday, September 29th, 2009Wenn es um Schwerter geht sind da einige Mythen im Umlauf was denn was ist, und vor allem werden Begriffe aus verschiedenen Epochen bunt gemischt. Ich will da einige Begriffe etwas aufklären. Dieser Text erhebt aber keinerlei Anspruch auf eine generelle Typologie, dafür sei auf Oakeshott verwiesen. Ebenso erwähne ich nicht sämtliche existierenden Blankwaffen und Variationen davon die jemals aufgetaucht sind, sondern nur einige Ausgewählte, im wesentlichen vom 14-19Jh.
Historischer Abriss
Mittelalter
Hier ist die Welt einfach. Eigentlich gibt es zwei generelle Begriffe: Schwert und Messer. Das Schwert ist beidseitig geschliffen, das Messer einseitig (auch wenn die Spitze ebenfalls beidseitg geschliffen sein kann). Anhand Form, Länge und Zweck kann dann noch weiter unterschieden werden, teilweise gibt es einen eigenen Begriff dafür, teilweise wird einfach ein Wort davorgestellt:
So gibt es unter den Messern z.b. die “Bauernwehr”, das “Lange Messer” und das “Falchion” (auch “Malchus” genannt).
Bei den Schwertern haben wir im wesentlichen das “Schwert” und das “Lange Schwert”. Das “Lange Schwert” klassiert ein relativ kleines (Gesamtlänge 100-130cm), am Gurt getragenenes, Schwert zur zweihändigen Benutzung. Es taucht im 14. Jh. auf und ist im wesentlichen eine zivile Waffe, die ohne Schild eingesetzt wird.
Andere Namen für das “Lange Schwert” sind “Anderthalbhänder” oder “Bastardschwert”, beide Namen kommen aus späterer Zeit und implizieren fälschlicherweise dass das Schwert einhändig geführt werden kann (Tatsächlich gibt es Techniken für zweihändig geführte Schwerter wo die eine Hand den Griff verlässt; aber das heisst nicht dass die generelle Benutzung einhändig sein kann, oder dass ein Schild dazu getragen werden kann). Besonders für Stich ausgebildete Schwerter werden manchmal “Estoc” genannt.
Renaissance
Im 16. Jahrhundert haben wir es mit Verlängerungen von Schwert und Messer zu tun. Zum “Langen Schwert” gibt es nun den grossen Bruder, das “Zweihandschwert” oder “Bidenhänder”, welches nicht in einer Scheide getragen wird (da zu lang; typische Länge 130-160cm, für Paradewaffen bis 210cm) und eine Kriegs- oder Paradewaffe ist. Zum “Langen Messer” gibt es nun das “Grosse Messer”, dasselbe wie das “Zweihändschwert” aber nur einseitig geschliffen.
Auf der anderen Seite entsteht aus dem “Schwert” oder dem “Estoc” als ziviler Waffe die neue zivile Waffe “Rapier” (zu der Zeit selten so genannt, meistens wird es immer noch “Schwert” genannt), die vor allem auf Stich ausgelegt ist. Dadurch dass es vor allem auf Stich gegen leichtgerüstete Gegner ausgelegt ist, ist es möglich Gewicht zu sparen, was wiederum dazu führt dass es länger sein kann als frühere Einhand-Schwerter (100-140cm; typisch sind 120cm).
Neuzeit
Im 17Jh setzt sich das “Messer” wieder durch, diesmal unter ganz anderem Namen, nämlich als “Säbel”, der sich vor allem bei Kavallerie als überlegen gezeigt hat. Der Name kommt vermutlich vom Ungarischen “Szablya”; die Ungaren hatten diese Form von “Messern” schon im 16Jh. adoptiert. Wo sich der Name “Messer” noch halten kann ist beim “Entermesser”, welches ebenfalls in der zweiten hälfte des 17Jh auftaucht.
Beim Schwert haben wir die Entwicklung in zwei generelle Varianten, im englischen “Small Sword” und “Broad Sword”. Die deutschen Entsprechungen dafür sind am ehesten “Degen” und “Pallasch”. Der “Degen” verfügt dabei über eine relativ schmale Hieb- und Stichklinge im Bereich von 2-3cm; während die des “Pallaschs” im Bereich von 3-5cm ist. Typischerweise hat der Pallasch auch einen ausgebildeten Griffkorb.
Regionale Entwicklungen wären das schottische “Broad Sword” oder das italienische “Schiavona”, beides “Pallasche”. Ebenfalls eine lokale Entwicklung im 17Jh. haben wir bei den Zweihandschwertern, nämlich die typische “Claymore”-Form des schottischen Zweihandschwertes.
Miskonstrukte
Wir haben einige Probleme mit falschen Assoziationen und mit Konstrukten die in Literatur und Spielen entstanden sind, da herumgeschleppt werden und es teilweise bis in populärwissenschaftliche Werke geschafft haben.
Das deutsche Wort “Degen” wird durch das moderne Fechten oft mit Klingen assoziiert die im 18Jh zur Übungswaffe “Florett” gehörten (vergleichbar mit den “Fechtfedern” des Mittelalters). Der moderne Fechtdegen hat aber nichts mit der zivil- und Kriegswaffe “Degen” des 17-19Jh. zu tun; welche tatsächlich viel eher mit dem Schwert verwandt ist.
Das “Lange Schwert” als “Anderthalbhänder” mit der Implikation es könne auch einhändig benutzt werden. Oder der Begriff “Bastardschwert”, auch eine neuzeitliche Erfindung. Ebenso die Zusammenziehung “Langschwert” die dann oft als eigenständige Einhandwaffe auftaucht. Die Zusammenziehung wurde im Mittelalter im deutschen Sprachraum nicht verwendet, und einen speziellen Begriff für ein einhändig geführtes Schwert gab es ebenfalls nicht.
Das “Broad Sword” respektive die deutsche Übersetzung davon “Breitschwert”, hat für ziemliche Verwirrung gesorgt, auch im Zusammenhang mit dem “Langschwert”. Wenn man schon ein (einhändiges) “Langschwert” hat, dann ist es doch logisch dass man noch andere einhändige Schwerter hat wie das “Kurzschwert” oder eben das “Breitschwert”? Tatsächlich macht der Begriff nur im englischen Sinn, um eben “Small Sword” von “Broad Sword” zu unterscheiden und gehört auch nur in diesen Kontext. Natürlich kann man statt “Pallasch” auch den Begriff “Breitschwert” verwenden, aber man sollte das dann auch auf die entsprechenden Waffen des 17-19Jh. beziehen und nicht auf irgendwelche breitklingigen mittelalterlichen (oder pseudomittelalterlichen) Schwerter.
Das “Kurzschwert”, wiederum ein Konstrukt das sich aus dem “Langschwert” ergibt. Einen speziellen Begriff für ein einhändig geführtes Schwert gab es nicht, auch nicht für besonders kurze Exemplare. Typischerweise sind diese im Mittelalter als “Seitenwehr” getragenen kurzen Waffen eher als Messer ausgeführt. Oder aber es handelt sich um besonders lange Dolche (z.b. der sogenannte “Schweizerdegen”, wobei wir hier auch gleich den etymologischen Ursprung des Wortes “Degen” drin haben, nämlich frz “Dague”, also “Dolch”). Für andere kurze Schwerter haben wir andere Bezeichnungen z.b. der römische “Gladius” oder der “Katzbalger” des 16Jh.
Ein Wort zu Längen und Gewichten
Länge und Gewicht einer Blankwaffe ergeben sich aus 3 Faktoren: Was kann der Benutzer ziehen und tragen, was kann der Benutzer handhaben und schlussendlich, was ist die Idee der Handhabung (vorallem ob die Waffe für Hieb und Stich oder nur für Stich gedacht ist)?
Bei den “Langen Schwertern” und dem “Rapier” ergibt sich eigentlich die Maximallänge ausschliesslich über die Waffenlänge die eine bestimmte Person am Gürtel tragen und auch noch ziehen kann. Je nach Körpergrösse und Armlänge variiert das von Person zu Person, liegt aber meist irgendwo zwischen 100 und 140cm.
Aus der Länge resultiert dann auch das Gewicht, welches man natürlich versucht möglichst niedrig zu halten. Ein “Langes Schwert” das auch für Hieb verwendet wird benötigt naturgemäss auch weiter vorne mehr Masse als ein “Rapier” mit dem fast nur gestochen wird. Entsprechend finden wir beim “Langen Schwert” ein Gewicht um 1.3-1.8kg, beim “Rapier” ein Gewicht um 1.0-1.5kg.
Wenn man eine Einhandwaffe auch für Hieb benutzen will muss diese entsprechend kürzer sein als eine reine Stichwaffe. Hier scheint sich fast überall eine länge um 100cm und ein Gewicht von 1.0kg als ideal herauszukristallieren; mit verschiedenen Variationen für mehr Stich- oder Hieblastigkeit, und mit verschiedenen Variationen für die persönliche Pyhsis des Benutzers. So ist der Pallasch typischerweise etwas kürzer und schwerer als der Degen; oder Säbel für Kavallerie etwas schwerer und länger.
Bei der Länge von eigentlichen “Zweihandschwertern” scheint eher das Gewicht (und die entsprechende Rigidität der Klinge und das Moment) der limitierende Faktor zu sein. Typischerweise bewegt sich die Länge von 140-160cm, bei einem Gewicht von 1.8-2.5kg. Für reine Paradewaffen gibt es fast keine Grenzen nach oben.
Auch beim Gewicht haben wir es mit einigen absurden Vorstellungen zu tun. Einerseits weil Schaukampfwaffen aufgrund der benötigten ca 2mm dicken Schneiden 1.5x bis 2x schwerer sind als eigentliche Waffen. Und andererseits weil Literatur, Volksmund, Filme und Spiele diese als extrem schwer dargestellt haben (Beispiele: Das Schwert von Conan aus den entsprechenden Filmen wäre ca. 3.5kg schwer. Oder der Friesische Volksheld Pier Gerlofs Donia, dem ein 213cm Zweihandschwert mit 6.6kg Gewicht zugeschrieben wird).