Gesundheits-Planwirtschaft
Sunday, October 28th, 2007Die Kosten im Gesundheitswesen steigen, und mit Ihnen kommen diverse Lösungsvorschläge die sich entweder in Missachtung der tatsächlichen Gründe dafür oder aber mindestens an Absurdität zu überbieten suchen.
Auszumachen sind als tatsächliche Gründe vorallem folgende Dinge: Gesteigertes Krankheitsbewusstsein (man geht öfter zum Arzt, wegen geringereren Problemen); erhöhte Rate gesundheitlicher Probleme aufgrund variabler gestiegener Umweltkontamination (Allergene, resistente Bakterien aufgrund Antibiotika-Einsatzes in der Landwirtschaft usf.); veränderte Altersstrukur; sowie als grosser Faktor, garantierte Monopole für die Pharma-Branche. Die Gewichtung dieser Faktoren bedarf durchaus noch weiterer Untersuchung, und es ist auch möglich dass sich da noch weitere ausmachen lassen. Aber interessant sind vorallem die momentan propagierten “Lösungen” die sich nur mit kompletter Verleugnung der Realität erklären lassen.
Unfreie Arztwahl
Da wurde zum Beispiel der Vorschlag “die freie Arztwahl aufzuheben” gebracht. Ganz logisch führt das dazu dass die Krankenkassen den Ärzten die Preise diktieren, wer sich nicht an deren Tarife halten will fliegt raus und bekommt nur noch diejenigen die es sich leisten können. Mittelfristig entwickelt sich eine Zweiklassenmedizin. Aber es kommt noch besser, längerfristig geraten alle Ärzte unter diesen Druck, was effektiv dazu führt dass die Krankenkassen die Ärzte komplett kontrollieren. Wir haben ein Monopol der Krankenkassen auf die Ärzte, nicht viel anderes als eine Planwirtschaft.
Diese Gesundheits-Planwirtschaft durfte ich persönlich schon erleben, sie nennt sich “Schulzahnärzte”. Dabei werden die Schüler arbiträr einem Zahnarzt zugewiesen der denen einmal im Jahr das Gebiss untersucht, und ebenso arbiträr Karies findet. Nachdem ich wegen 3 dieser “Löcher” aufgeboten wurde lies mich dieser Schulzahnarzt eine Stunde warten, als ich endlich zu fragen wagte was denn los sei, kanzelte er mich ab, worauf ich die Praxis verlies. Das beste was ich tun konnte. 15 Jahre später hatte ich immer noch keine Karies.
Und heute habe ich ebenfalls so einen Vorgeschmack auf eine derartige Planwirschaft erhalten, in Form eines Briefs von einer Zahnarztpraxis:
Um Zähne und Zahnfleisch gesund zu erhalten, ist eine regelmässige Kontrolle und periodische Zahnreinigung in der zahnärztlichen Praxis erforderlich.
Wie vereinbart möchten wir Sie daran erinnern, dass diese Massnahmen in den kommenden Wochen wieder fällig werden. Für die Vereinbarung eines Termines können Sie bei uns unter der Telefonnummer 0444 XXX XX XX anrufen.
Natürlich habe ich da nichts vereinbart, tatsächlich war ich in dieser Praxis nur einmal wegen eines Notfalls.
Wir können uns also darauf freuen zu unserem zugewiesenen Arzt zitiert zu werden, welcher dann seine zugewiesene Kostenquote zufallsmässig über seine Patienten verteilt.
Kurpfuscher aus dem Mittelalter
Im späten Mittelalter stellte man fest, dass da diverse Ärzte auf Europas Strassen unterwegs waren, die nicht nur diagnostizierten, sondern gleich Ihr Wundermittel eigener Produktion verkauft haben. Man stellte sich also die Frage wie man dieser rampanten Kurpfuscherei habhaft werden könne, und kam mit einer Lösung: Ärzte dürfen keine Medikamente verkaufen, sondern nur Rezepte ausstellen die eine unabhängige Kontrollinstanz ausführt und abgibt. Da man gerade eben kein Amt für Medikamentenkontrolle hatte, und auch keine langwierigen Verfahren um Medikamente freizugeben, und sowieso das ganze wenig Standardisiert war, gab man das Monopol Medikamente zu verkaufen an die Apotheken.
Die Apotheken haben dieses Monopol natürlich nun immer noch, obwohl die Kontrolle über Medikamentfreigaben schon längst staatlichen Stellen obliegt. Das ist ja wunderschön traditionell, diese Zunftmonopole, aber ich glaube nicht dass IKEA-Mitarbeiter immer noch in der Tischlerzunft sein müssen um Möbel zu verkaufen.
Mit anderen Worten: Wir haben da ein Monopol aus dem Mittelalter erhalten welches mittlerweile nicht nur obsolet ist, sondern vorallem auch teuer. Der Arzt muss zur Nothilfe ja sowieso Medikamente vorhalten, wieso soll er die nicht verkaufen? Es ist ja nicht so dass er da selber “Hausmittelchen” erstellen würde die er dann verkauft. Und warum soll da eine zusätzliche Kontrolle durch den Apotheker stattfinden, die Medikamente wurden schon durch den Staat geprüft (und dessen Resourcen hat der Aptheker nicht) und durch den Arzt verordnet (und dessen Diagnose kann der Apotheker auch nicht stellen).
Wir haben also wegen irgendwelcher mittelalterlichen Kurpfuschern immer noch ein Monopol der Medikamentenabgabe für Apotheken. Und wie jedes Monopol kostet auch dieses.
Renten für Pharmariesen
Vermutlich hat noch kaum jemand das überhaupt in Relation mit den Gesundheitskosten gesehen, ganz sicher nicht der Bundesrat welcher neuerdings auch Patente auf Gensequenzen zulässt, aber ein grosser Teil der Gesundheitskosten machen Medikamente aus, und ein überwältigender Teil dieser Kosten wird mittels Monopolen, in diesem Fall Patenten, garantiert.
Der Staat hat es der Pharma-Industrie erlaubt gnadenlos grössenordnung 20-30% sämtlicher Kosten im Gesundheitswesen als Rente einzusacken, indem er sukzessive Patente auf Prozesse (1954), Patente auf Produkte (1977) und nun Patente auf Gensequenzen (2006) garantiert hat.
Über irgendwelche Innovationsfördernden Eigenschaften von Patenten müssen wir gar nicht diskutieren; dieser Nachweis wurde nie irgendwann auch nur für irgendwelche Industriebereiche erbracht. Im Bereich Software/Prozesse wurde hingegen schon nachgewiesen dass Patente Innovationsschädigend sind; der Nutzen von Patenten ganz generell ist also eher zweifelhaft. Was Patente hingegen unbestritten tun ist ein Monopol bieten, und es wäre etwas ganz neues wenn Monopole plötzlich zur Kostensenkung führen würden.
Was auch immer man tun möchte um die Kosten im Gesundheitswesen zu senken, ganz sicher ist es falsch der Pharmaindustrie noch mehr Möglichkeiten für Patente zu garantieren.