Aufstand der Toten — per Urheberrecht

Tote erzählen keine Geschichten

Zumindest nicht bevor sie nicht seit 70 Jahren tot sind.

Denn erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers läuft das Urheberrecht und die zugehörigen Nutzungsrechte aus. Zumindest in der Schweiz, der EU und der USA. Mit dem Erfolg dass kein Rechteinhaber ein Interesse hat mässig erfolgreiche Werke, auch wissenschaftliche, nachzudrucken, da diese in Konkurrenz mit neuen Werken stehen könnten, und gleichzeitig niemand anders die Werke nachdrucken darf, bis die Zombies nach 70 Jahren endlich wirklich tot und begraben sind und das Werk gemeinfrei wird.

Wer die Toten weckt…

Die Konsequenz dieser absurden Frist ist auch dass nun das ganze Urheberrecht von einem Grossteil der Bevölkerung nicht mehr ernst genommen wird, wie schon Thomas Babington Macauley 1841(!) gewarnt hat: “And you will find that, in attempting to impose unreasonable restraints on the reprinting of the works of the dead, you have, to a great extent, annulled those restraints which now prevent men from pillaging and defrauding the living.”

In Deutsch: “Und ihr werdet herausfinden, dass ihr mit der Versuch unvernünftige Restriktionen über das Nachdrucken von Werken von Toten einzuführen, zu einem grossen Teil die Hemmungen die heute die Leute davon abhalten die Lebenden zu Plündern und zu Betrügen, annuliert habt.”

Und er hat recht behalten. Die einzig sinnvolle Konsequenz daraus kann nur sein die Urheberrechtsfristen rigoros zu kürzen. Weder ein drakonisches Urheberrechts-Regime noch immer längere Fristen werden diesen Respekt zurückbringen im Gegenteil; mit jeder Verschärfung und Verlängerung verliert das Urhberrecht noch mehr an Glaubwürdigkeit.

Mehr Lebendig als Tot

Die zweite Konsequenz kann nur mit absoluter Dummheit und Ignoranz seitens der Gesetzgeber erklärt werden. Aus der Tatsache dass diese Rechte über den Tod hinaus geltend sind leitet sich nämlich ein Erbrecht ab. Und damit ist die Büchse der Pandora geöffnet die das ganze Urheberrecht selbst seiner Funktion beraubt.

In einem Forum sucht ein Erbe in der 4. Generation herauszufinden wer denn sonst noch Erbe eines bestimmten Malers sein könnte, von dem er im Rahmen eines Zeitschriftenartikels Werke veröffentlichen wollte. Mit anderen Worten, die Urheber- und Nutzungsrechte für diese Werke sind nun auf beliebig viele Personen verteilt, Anzahl unbekannt, es könnte eine Person sein, aber auch 50. Jede dieser Personen hat kein Recht selber etwas davon zu veröffentlichen, aber jede davon hat ein Recht jegliche Veröffentlichung zu verhindern. Und das ist noch nicht der schlimmste Fall. Bei Werken die von mehreren Urhebern gemeinsam geschaffen wurden wurden gilt dies für sämtliche Beteiligten, respektive deren Erben. Was bei Filmen durchaus hunderte Personen sein können.

Tot und Begraben

Das ist das was diese Schutzfrist über den Tod hinaus schon lange sein sollte.

  • Sie verhindert Nachdrucke in dem sie es Verlegern ermöglicht die mit neuen Werken um die Aufmerksamkeit des Konsumenten buhlende alte Werke unter Verschluss zu behalten.
  • Sie vernichtet aus obigem Grund auch gleich alte Zellulose-Azetat-Filme welche zwischenzeitlich zu Essig werden. Und manchmal auch andere Werke die entweder nur in Kleinauflagen vorhanden waren, oder noch gar nicht publiziert waren und Opfer eines Brandes oder einer anderen Katastrophe werden.
  • Sie verhindert Publikationen durch Aufspaltung von Erbmasse. Und vernichtet damit ebenfalls Kultur, da auch diese Werke Opfer einer Katastrophe werden können.
  • Sie verzögert Neubearbeitungen von älteren Werken und führt damit ebenfalls zu einem geringeren Korpus an Publikationenen.
  • Sie vermindert den Respekt gegenüber dem Gesetz selbst.

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