Die Überwachung und der Skandal
Spätestens seit den späten 80er Jahren ist bekannt dass die NSA alles überwachen möchte, namentlich wurden da Details über das ECHELON Projekt, welches Funksignale auch in Europa z.b. via den Abhörstationen in Menwith Hill (UK) oder Bad Aibling (DE) abhört bekannt. Der Spiegel berichtet 1989 darüber: NSA: Amerikas großes Ohr.
Nicht nur der Funk wurde abgehört, sondern schon damals war es ein offenes Geheimnis dass die NSA in Frankfurt “in unmittelbarer Nachbarschaft der Postzentrale” hunderte von Telefonleitungen betrieb. Und in den 90ern war bekannt dass die NSA im selben Gebäude wie der DE-CIX ein Büro unterhielt, später dann aber nach gegenüber umgezogen sei (Scheinbar ist das nicht ganz korrekt: Die NSA hatte offenbar ein Büro über dem Hauptpostamt, aber das war vor der DE-CIX Zeit. Was aber nichts daran ändert dass die NSA später in unmittelbarer Nähe vom DE-CIX Büros unterhielt).
Dass die NSA versucht im Ausland alles zu Überwachen war also schon in den 90ern klar, und wem sich dafür interessiert hat auch bewusst. Auch klar war dass da mindestens eine Billigung durch entsprechende Behörden in den UK, Deutschland und anderen Ländern vorhanden sein musste.
Was weder mir noch der Öffentlichkeit klar war, ist das Ausmass in dem die NSA, zumindest im 21. Jahrhundert, damit erfolgreich war.
Der Skandal in den USA
Der eigentliche Skandal ist aber ein anderer. Einerseits hat den die USA selber: Die Überwachung der eigenen Bevölkerung war weder Auftrag der NSA, noch legal. Die versuchte Rechtfertigung mit “National Security Letters” und esoterischer Gesetzesauslegung sind nicht mehr als ein Feigenblatt, um die Verfassungs- (und eigentlich auch Gesetzes-)widrigen Machenschaften der NSA und der Regierungen Bush Jr. und Obama zu decken. Aber das ist erstmal das Problem der US Bürger.
Der Skandal hier…
Andererseits haben wir auch einen Skandal. Nämlich wie die Taten der NSA durch lokale Geheimdienste und Regierungen gedeckt wurden. Ja, die USA dürfen nach ihren eigenen Gesetzen bei uns spionieren. Aber nicht nach unseren. Und während die meisten Europäischen Geheimdienste, im Gegensatz zu den US-Amerikanischen, auch die eigenen Einwohner bespitzeln dürfen, so dürfen sie eines nicht: Daten über die eigenen Bürger an fremde Mächte weitergeben. Und statt Spionage-Abwehr zu betreiben haben wohl einige europäische Geheimdienste, darunter ziemlich sicher der BND, wohl genau das Gegenteil getan und ihre eigenen Bürger verraten.
..und der Skandal wie damit umgegangen wird
Und der dritte Skandal an der ganzen Sache ist wie die betroffenen Regierungen damit umgehen. Statt sich sofort hinter die eigene Bevölkerung zu stellen und die Übeltäter im eigenen Land vor Gericht zu ziehen, der NSA die Dependencen zuzumachen und den Datenfluss abzuwürgen übt man sich in lahmen Verleugnungen (“es gibt keinen Skandal”), Relativierungen und Rechtfertigungen.
Klar, einige Leute in den Regierungen wussten vermutlich etwas zuviel, aber das ist weder ein Grund nicht sofort die Geheimdienste an die Leine zu nehmen oder zuzumachen, noch ein Grund die ganze Sache herunterzuspielen. Und für die Parlamente ist das schon gar kein Grund nicht sofort Gesetze zu erlassen die so eine Massenüberwachung in Zukunft verunmöglichen. Stattdessen gibt es immer noch Politiker die die Vorratsdatenspeicherung fordern, was schlussendlich nichts anderes ist als die Bereitstellung von Datensammlungen für fremde Geheimdienste und Kriminelle. Ebenfalls ist es unerklärlich weshalb nicht sofort die Staatsanwaltschaften gegen die Beteiligten zu ermitteln anfangen.
Und dann haben wir noch die Presse, welche sich vor allem in den USA als NSA-Apologet hervortut und statt die Missetäter anzugreifen den Überbringer der Botschaft mundtot machen will.
Aber auch in Europa ist die Reaktion noch moderat, und statt Köpfe rollen zu fordern wird abgewiegelt.
Ja, wir haben einen Skandal, aber der ist nicht dass die NSA alles abhört, sondern dass sie dabei von Kollaborateuren in unseren Ländern unterstützt wird, und dass unsere eigenen Regierungen nichts dagegen unternehmen.
(Der Grund warum der Artikel nicht mehr auf die Schweiz eingeht ist dass hier noch sehr viel offen ist, und eine mögliche Zusammenarbeit von Schweizer Geheimdiensten mit der NSA noch nicht wirklich untersucht, und auch nicht derart offensichtlich wie beim deutschen BND oder beim englischen GCHQ ist).