A man said to the Universe: "Sir, I exist!" "However," replied the Universe, "the fact has not created in me a sense of obligation." -- Stephen Crane
"Ich wurde am 14. Juli 1900 (jawohl, das ist der Jahrestag der Französischen Revolution) in England als ältester Sohn des Landadligen Lords Arthur Drake geboren. Eigentlich war ich nicht der erste Sohn; Arthur (denn der Erstgeborene wurde nach seinem Vater benannt) starb aber als er einjährig war. Meine Jugend verbrachte ich grösstenteils im Internat, unterbrochen von kurzen Aufenthalten auf unserem Landgut, wo ich fahren und schiessen lernte. Bekannt ist, dass in Knabeninternaten die sogenannte 'Englische Krankheit' grassierte, und auch ich wurde davon erfasst. Es ist absolut die angenehmste Krankheit die ich mir vorstellen kann - denn was macht den Menschen zum Menschen ausser der Liebe zum Menschen? Nachdem ich diese Anstalt - (Denn das war sie, eine Anstalt zur Aufzucht junger Adligensöhne, die dort 'Manieren' und 'Benehmen' und sonstige Dinge lernen sollten um 'Im richtigen Leben' bestehen zu künnen. In Tat und Wahrheit habe ich gelernt zu lieben und zu verstecken, zu lügen und zu betrügen). Also nachdem ich entlassen wurde, kam ich aufs College. Colleges sind Grundsätzlich dasselbe wie Internate, aber darauf angepasst die jungen Leute, die beginnen sich Gedanken zu machen etwas mehr abzulenken, zum Beispiel mit Sport. Besser mit Mädchen. Während des Weltkrieges, der damals noch nicht numeriert werden musste, war ich somit in der komfortablen Lage in Nordengland meine 'Unterweisungen' zu geniessen. Wenn mir das auch nicht sehr viel gebracht hatte (Die Unterweisungen, nicht die Mädchen), war doch mein Interesse fär die Naturwissenschaften geweckt worden. Ich wollte Physik studieren. Da aber ein Landadligensöhnchen partout Justiz oder wenigstens Medizin, aber sicher nicht so etwas spinnertes wie 'Physik' oder 'Philosophie' studieren sollte und mein Vater ebenjener Ansicht war, gab es 'einige Reibereien' zuhause, mit dem Ergebnis dass ich davonlief um in London Physik zu studieren und mein Vater mich enterbte. Die Zwanziger Jahre sind nebst den Sechziger Jahren wohl die beste Zeit zum Leben gewesen, wenigstens in Europa. Die Kultur, die Musik, die Sexuelle Freiheit, alles stand in voller Blüte. Ich kam mit einem Künstler in Kontakt, der zugleich auch Marxist, Poet und mein Liebhaber war. Ich begann in Künstlerlokalen herumzuhängen, schrieb Poesie und Philosophierte über die Ursprünge der Welt, und lebte. Als sich mein Vater langsam daran gewöhnen konnte dass auch 'Physiker' etwas werden können, starb Lenin (Also an Alzheimer) und mein Vater (an Herzschlag, als er erfuhr dass ich einen Liebhaber habe). Meine Mutter war etwas vernünftiger und setzte mich wieder auf die Erbenliste; weshalb ich heute über Geld verfüge und vorallem damals mein Doktorat vollenden konnte. Während der Doktoratsarbeit war mir mein Liebhaber aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zum Thema Stalin abhanden gekommen. Ich kann Stalin nicht ausstehen. Immerhin, ich machte mein Doktorat und durfte mich nun Doktor der Physik nennen. Während der Anschliessenden mehrwöchigen Party traf ich ihn. Er war ein Künstler, begnadeter Musiker auf einem halben dutzend Instrumenten und literarisch bewandert, ein chaot gleichermassen, Anarchist, Zauberer irrwitziger atonaler Melodien. Sein Alter schätzte ich auf 24. Ein blonder, grünäugiger Gott. Ich avancierte sofort, wurde erwidert, lag auf einer Schaukel im Garten und dann küsste er mich. Ich hatte noch nie etwas derartig gewaltiges, welterschütterndes erlebt. Ich GENOSS es, ausgesaugt zu werden, mich selbst aufzugeben. Dann kam der Hunger, er nährte mich und dann - war ich ein Vampir. Das war am 5. August 1928. Samuel Gunn, so hiess er, war über vier Jahre hinweg mein Mentor. Als ich den Wunsch verspürte wegzureisen stellte er mich dem Prinzen der Stadt vor. Der Prinz von London war ein Archloch der übelsten Sorte vom Typ 'Tory'. Gut dass ich verschwand. Ich reiste nach Paris - paris la nuit, je l'aime! Zwei Jahre Später, also 1934 reiste ich weiter nach Wien, wo ich länger zu bleiben gedachte. Tories mögen schlimm sein, aber als 1938 Hitler in österreich einmarschierte knallte es mir endgültig den Schnuller aus der Schnauze. (der geneigte Leser müge meine, nun ja, farbige Metaphernwahl nicht allzu eng sehen, ich habe noch zu jeder Zeit als modern gegolten und parliere in vielen verschiedenen idiomen des jeweiligen Zeitgeistes). Ich zog nach Berlin und amüsierte mich bis 1941 an Nazi-parties. Ich vermute ich muss in dieser Zeit wohl an die 1000 Nazis umgebracht haben. Mitleid? Ja, ich habe Mitleid mit ihnen, denn sie wurden schon umgebracht als sie noch lebten - wie mein Vater es mit mir versucht hat. Ich habe ihnen nur ihr untotes Dasein genommen. Ich weiss dass das hart tönt, aber sie waren für mich die komplette Verneinung von allem was mir etwas bedeutete. Sie waren eine Karikatur auf uns, sie waren schlimmer als alle Vampire zusammen es je fertigbringen würden. Als dann die Bomben auf Berlin zu fallen begannen verschwand ich nach Zürich, von wo ich bald nach New York weiterreiste. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken, und die fand ich, zusammen mit wunderbarer Musik - Fats Domino, Percy Sledge, Howlin Wolf. Alte Namen die man plötzlich wieder hörte. Es ging bergauf. Bis 1948 blieb ich in New York, dann zog es mich wieder fort - nach Europa. Ich verweilte in Paris, London, Wien und Zürich bis 1966. Die Musik, die Kunst, die Literatur und die Freiheit als meine Begleiter. Die letzten Jahre von 1964-66 verweilte ich in London, dann zog ich nach New York und 1967 nach San Francisco. San Francisco ist eigentlich keine schüne Stadt, und ist es auch heute nicht, aber was dort ging war wunderbar. Ich vergrub meine Selbstmordpläne und Rachegedanken aus den Kriegsjahren endgültig - das war es woran ich glaubte, Vampir hin oder her, es ist mir egal. Wer sagt denn das nicht auch Raubtiere lieben künnen? Und das sind wir. Ich habe sehr viel nachgedacht in dieser Zeit, und auch ein neues Selbstverständnis gewonnen. Bis mich dann irgendwann um 1975 wieder die Reiselust packte, ich packte meinen Sarg und reiste wieder nach England, London genau gesagt. Dort kam ich dann auch in Kontakt mit der Punk-Bewegung, die nicht die meine ist, die ich aber sehr gut verstehe - genau so habe ich mich in den Kriegsjahren gefühlt. Vielleicht kennt der Leser Sid Vicious? Er war Bassist der 'Sex Pistols', mein 'Kind' - und für mich eine ganz persönliche zwischenvampirische Tragödie. Eigentlich möchte ich nicht darüber sprechen. Ende der Siebziger war ich nochmals in Paris, bis ich 1992 nach Chikago gekommen bin. Das ist die Geschichte meines (untoten) Lebens, meine Essenz, mein Wesen. Ich, der Lord der kein Ventrue ist, ich der Künstler der nicht zu den Toreador gehürt, der Wissenschaftler der kein Malkaviani ist, der Howlin Wolf der nicht mit den Gangrel heult, aber der Anarchist der Anarch ist, der die Freiheit über alles achtet, der Romatiker den man zuletzt für einen Brujah halten würde."
In Liebe und Blut
Nathanael Drake