Einführung ins Liverollenspiel

Wie das Liverollenspiel hier so funktioniert

Ja was ist das? Nun, es geht darum in einer fiktiven Welt eine erfundene Person zu spielen, Abenteuer zu erleben, Probleme zu lösen (der Plot), sich zu amüsieren und generell eine gute Zeit zu haben. Dazu sucht man sich einen passenden Ort, dekoriert ihn und rüstet ihn mit den Dingen aus, die es für das Abenteuer braucht (Hinweise, vergrabene Schätze, Höhlen), instruiert eventuelle Helfer wann sie was tun sollen und wann sie welches Monster spielen sollen. Dies alles tut die Spielleitung. Die Spieler kommen dann da hin, und beginnen in dieser Welt frei zu agieren. Sich zu schlagen, Freundschaften zu schliessen, die Rätsel zu lösen usf. Typischerweise dauert sowas ein Wochenende von Freitag Abend bis Sonntag. Kosten tut es auch etwas, weil die Unterkunft, die Verpflegung und die vergrabenen Schätze auch bezahlt sein wollen. Weil die Unterkunft meistens knapp kalkuliert ist muss man sich auch schon vorher dazu anmelden,

Im Unterschied zu Theater gibt es dabei keine vorgeschriebenen Dialoge und Handlungen, alles ist möglich. Die Rolle kann man sich in Grenzen meist selber aussuchen, und sein Kostüm muss man selber mitbringen. Auch Publikum gibt es keins, man spielt für sich selbst und für die anderen Spieler. Was man vom Theater mitnehmen soll ist die Fähigkeit sich in eine Rolle versetzen zu können.

Im Unterschied zum Pen & Paper Rollenspiel am Tisch besteht nun mein Charakter nicht aus einem Blatt Papier, sondern aus mir selbst, meinen eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Und die Ausrüstung muss ich auch noch selber organisieren und herumtragen. Auch werden alle NSCs und Monster nun von Leuten gespielt, und nun sind statt 5 Spielern plötzlich 20 oder gar 120 da, die natürlich nicht alle "Helden" sein können. Was man vom Pen & Paper mitnehmen kann ist das Wissen wie so eine Fantasy-Welt funktioniert, und die Fähigkeit Rätsel zu lösen.

Im Unterschied zu Reenactment ist es beim Liverollenspiel egal wie historisch korrekt die Kleidung ist. Hauptsache es schaut gut aus. Im Gegensatz zum Reenactment spielt man im Liverollenspiel tatsächlich das Leben in einer mittelalterlich-fantastischen Gesellschaft, und es gibt eine Handlung. Vom Reenactment mitnehmen kann man das Wissen wie es wirklich geht, und die Rüstung und Ausrüstung, abgesehen von Waffen.

Der Ablauf

Zuerst muss ich mir klar sein, dass ich an geplantem Anlass wirklich mitmachen will. Sobald ich nämlich angemeldet bin gibts kein Zurück. Dann melde ich mich bei der Spielleitung, und frage mal kurz ob meine Charakteridee in Ordnung ist, ob das passt, oder ich lasse mir bei der Erstellung eines Charakters helfen.

Dann suche ich die Ausrüstung zusammen, die ich für das Spiel brauche. Das Eintragen in die Mailingliste oder der Besuch des Stammtisch können sich in diesem Zusammenhang als wertvoll erweisen, vor allem wenn ich Dinge benötige die normale Leute nicht so einfach zur Hand haben (Latexwaffen, Rüstungen..)

Wenn ich dann alles habe, und der Termin angerückt ist, dann reise ich ans Spiel an. Normalerweise am Freitag Abend. Vielleicht bekomme ich sogar durch die Kontakte die ich vorher geknüpft habe eine Mitfahrgelegenheit. Im Haus, der Burg, dem Zeltplatz angekommen laufen vermutlich alle noch in Zivil herum, beziehen Zimmer, richten sich ein, stellen Zelte auf, dekorieren Räume. Irgendwann fangen dann die Leute an langsam die Kostüme (Gewandung) anzuziehen, und irgendwann wenn dann der grösste Teil in Gewandung herumläuft, beginnt das Spiel langsam zu laufen.

Wenn das Spiel dann Fertig ist, am Sonntag Morgen nach dem Aufstehen, dann laufen die Hälfte der Leute schon wieder in Zivil herum, es gibt vielleicht noch Morgenessen dann wird geputzt, aufgeräumt, Zelte abgebrochen. Das wars dann. Und dann ist man müde, dreckig und glücklich ;)).

Charaktere

Um eine Liverollenspiel maximal geniessen zu können, sollte man einen Charakter spielen der einem selber passt, den man spielen kann, der auch den anderen Spielern gefällt und der in die Geschichte eingebettet ist.

Das bedeutet dass ich, im Gegensatz zum Pen & Paper Rollenspiel am Tisch, etwas spielen muss was körperlich zu mir passt.

Das bedeutet dass ich Klischees erfüllen muss. Fantasy lebt vom Klischee, und schmalbrüstige Zwerge und korpulente Elfen gehören nicht dazu. Genausowenig ärmlich gekleidete Adelige. Das Outfit und das Benehmen muss genauso stimmen wie die Physis.

Das bedeutet dass ich meinen Hintergrund so wähle, dass ich ein Maximum an Berührungspunkten mit anderen Spielern habe. An Einsamen Wanderern aus Fremden Landen die das Problem der Dorfbevölkerung nix angeht wird das halbe Spiel vorbeigehen. Wenn ich schon einen oder mehrer Charaktere habe, dann sollte ich denjenigen Auswählen, der am besten zum Hintergund und zum spzifischen Spiel passt. Wenn ich noch keinen habe, oder einen neuen machen will, dann am besten einen der aus dem bespielten Land kommt.

Ausrüstung

Zuerst einmal brauche ich das, was ich für Camping brauchen würde. Schlafsack, Unterwäsche zum wechseln, Kulturbeutel, evtl. zusätzlich warme Kleidung für unter der Gewandung, Handtuch, Plüschkamel etc.;). Wenn man etwas mehr Ausrüstung hat kann man dann auf moderne Dinge verzichten.

Und dann brauche ich die Ausrüstung für den Charakter. Da diese den Rahmen dieses Artikels sprengen würde werde ich aber hier nicht darauf eingehen.

Regeln

Regeln haben wir eigentlich keine. Es gibt jedoch Ausnahmen. Einerseits sind dies Sicherheitsregeln, und andererseits sind es einige Kleinigkeiten die es ermöglichen den Spielfluss bei Problemen anzuhalten, sowie Regelungen die dazu dienen das Ambiente einer Fantastisch-Mittelalterlichen Welt zu erhalten.

Von anderen Regelwerken

Andernorts wird mit Regelwerken wie "DragonSys", "Manticore", "Silbermond" oder "That's Live" hantiert. Diese Regelwerke dienen vorallem drei Zwecken: Erstens sollen sie Powerplay verhindern, indem Sie forcieren das jeder Charakter als Nichtskönner beginnt. Zweitens sollen sie erreichen dass fair gespielt wird. Und drittens sollen Sie Regeln bieten für Dinge die im Spiel schlecht oder gar nicht darstellbar sind.

Erstens hält das Powergamer nicht davon ab, im Gegenteil. Es verhindert dass ich als mächtige Figur beginne, und verleiht damit dem "mächtig-sein" noch einen Zusatzstatus. Zweitens kann man genauso bescheissen wie sonst auch. Und drittens lässt man solche Dinge am besten sowieso weg, als stattdessen den Spielfluss zu hemmen, nur weil jemand teleportieren will.

Deshalb haben wir uns entschieden ohne Regelwerk und Punkte zu spielen, was am einfachsten ist. Diese Philosophie ist auch unter den Begriffen "Real Fantasy" und "Du Kannst Was Du Darstellen Kannst" (DKWDDK) respektive sogar "Du Kannst Was Du Kannst" (DKWDK) bekannt.

Was wir nicht wollen

Punkte dürft Ihr euch gern ins Gesicht schmieren. Oder auf die Hosen nähen. Rot mit kleinen gelben Punkten ist momentan sehr angesagt.

Regelstreitereien. Nachdem wir keine haben doch schwierig? Keineswegs, wir können immer noch streiten ob ich dich getroffen habe oder nicht, und ob ich nun tot bin oder was. Bitte nicht. Das Opfer entscheidet; basta.

Spielleitung die bemuttern tut. Jeder Spieler ist mündig genug um selber zu entscheiden ob seine Aktion erfolgreich war, respektive es ergibt sich aus der Reaktion der Mitspieler. Da brauchen wir gar keine Spielleitung die man ständig fragen geht ob nun dies oder das geklappt habe.

Powerplay. Jeder kann sich die unglaublichsten Titel, Fähigkeiten Fertigkeiten und Gegenstände zusammenerfinden. Also tun wir das nicht, weil sonst allerhöchstens andere Leute gezwungen würden sich ebenfalls so Ramsch herzudichten. In diesem Zusammenhang: Auch merkwürdige Spezies wie Halbdämonen und ähnliches gehören dazu, und Vampire und Werwölfe machen sich grundsätzlich verdächtig.

Realexistierende Religionen, und zugehörige Symbolismen. Wir wollen weder den Proponenten besagter Religionen auf die Stola, pardon Füsse treten; noch wollen wir zur Zielscheibe deren Gegner werden. Deshalb gibt es keine christlichen Kreuze, noch islamische Halbmonde, keine germanischen Götter, und auch nix von Wicca, Paganismus, Esoterik, Magick. Unsere Magie und unsere Götter sind unsere eigene Erfindung und haben nichts mit der Realität zu tun.

Seegras, 05 November 2003, zum ersten mal erschienen auf Tikon.ch, leicht angepasst am 15.04.2014