Fritz Grasshoff: die grosse Halunkenpostille (Auszüge): dtv, 1954,1968 Lustiges Scherenschleiferlied ----------------------------- Sommers durch die Dörfer streifen, wenn die roten Beeren reifen, und den Leuten Scheren schleifen, Messer, Scheren, Klingen. Sommers durch die Dörfer streifen, Mädchen in die Röcke greifen, küssen, in den Pöter kneifen, lachen, lieben, singen. Und das Rädchen schnurren lassen, surren lassen, burren lassen, nie den Magen knurren lassen, frech das Glück beim Schopfe fassen, auf der grossen Tippelreise. Das ist die Scherenschleiferweise. Winters in Tavernen gehen, rauchen, an den Ofen spucken, andern in die Karten gucken, lärmen und Krakeelen. Winters in Tavernen glucken, viele kleine Schnäpse schlucken, spät sich erst ins Bett verdrucken, schnorren, betteln, stehlen. Und das Rädchen schnurren lassen, surren lassen, burren lassen, nie den Magen knurren lassen, frech das Glück beim Schopfe fassen, auf der grossen Tippelreise. Das ist die Scherenschleiferweise. Nähmaschinenmeditation ---------------------- Flickebüdel Naseweis, o, wie ist die Nadel heiss! Falten heften und drapieren, jede will gleich anprobieren. Säumen, schneiden, steppen, nähen, bis die Hähne morgens krähen. Dann ers steigt er in sein Bett. Darum wird der Schneider fett. Flickebüdel Naseweis, o, wie ist die Nadel heiss! Denn bei all den jungen Mädeln ist der Faden einzufädeln. Und bei mancher guten Alten darf das Eisen nicht erkalten. Elle, Schere, Nadel, Zwirn - doch den Vorrang hat die Dirn. Flickebüdel Naseweis, o, wie ist die Nadel heiss! Schneiderhandwerk ist gefährlich und wie leicht ist das erklärlich: sitz die Spitze erst im Daumen, fällt die Zunge aus dem Gaumen - plötzlich ist das Nähgarn knapp, und es läuft die Spule ab. Lumpenbrüderschaft ------------------ Schnorrer, Penner, schräge Vögel Kesselflicker, Diebe finden im Zigenuerkarrn Nachquertier und Liebe; wo die Kartenhexen fett ihre Pfeife paffen und im schmierigen Korsett aus dem Fenster gaffen; wo die Messer niemals stumpf in die Rippen fahren und die Mädchen unterm Strumpf Wechselgeld verwahren; Abends randaliert das Pack, lange kreist die Flasche, und es schmiegt der Bettelsack sich zur Hurentasche; Wenn das Feuer knisternd loht, schrumpft die Welt zusammen. Auch der alte Kunde Tod hockt mit vor den Flammen. Klagt die Geige Herzen wund, schmelzen selbst Gendarme, und sie fall'n dem Lumpenhund schluchzend in die Arme. Halunkenlied ------------ Mein Gaul ist alt und will nicht mehr, ich geb ihn für drei Pesos her und ein paar alte Socken. Die Pesos die versaufe ich, die Socken die zerlaufe ich. Vertrunken und gehunken - ich geh zu den Halunken Ich lasse mich vom Winde wehn, mein Topf, der soll am Feuer stehn, am Feuer der Ganoven. Da hol ich mir den letzten Schliff, studier den Pfiff, den Killergriff, die Zinken und die Riten. Ich geh zu den Banditen. Ich such mir eine Unterkunft bei Damen von der flotten Zunft, die achten mein Gewerbe. Durch dunkle Gassen strolche ich, den Speckbauch den erdolche ich, und fülle mir mein Bündel. Ich geh zu dem Gesindel. Doch habe ich mein Geld im Sack, dann pfeif ich auf das Lumpenpack und fliege in die Fremde. Muss auf der langen Schiene sein, bevor mich sperrt der Grüne ein, vor dem hab ich Manschetten. Der Hund legt mich in Ketten. Unterwegs --------- Ich putze jede Klinke, ich schlüpf in jedes Haus. Lädt man mich hier zu Tische, wirft man mich dort hinaus. Die Liebe wohnt im Magen, die Köchin unterm Dach. Die Hausfrau ist vergeben, ich küss die Köchin wach. Der Löffel in der Tasche, erspart den eignen Topf. Es gibt zwei sorten Sterze: die mit und ohne Knopf. Fragt mich nicht erst nach dem Gaule, wenn man euch Äpfel schenkt. Krümmt alle euch beizeiten, eh ihr am Haken hängt. Neue Nachtwächterweise ---------------------- Leute, Leute, hört mein Tuten und lässt raten euch im Guten: Ihr Lumpenbrüder im Versteck, das Stehlen hat noch keinen Zweck. Zehn hats geschlagen Der Bauer grunzt noch nicht im Stroh, die Magd jagt noch im Hemd den Floh, der Knecht muss nochmal aus der Hos, im Wirtshaus ist der Teufel los. Zehn hats geschlagen Leute, Leute, hört mein Tuten und lässt raten euch im Guten: Ihr Strassenmädchen auf dem Strich geht heim, wir löschen jetzt das Licht. Elf hats geschlagen. Wenn ihr hernach im dunkeln fischt, könnt ihr nicht sehn, was ihr erwischt. Mit einem alten Strolch im Nest ist euch gedienet nicht zu best. Elf hats geschlagen. Leute, Leute, hört mein Tuten und lässt raten euch im Guten: Ihr Säuufer all, trinkt aus und geht dass ihr nicht weisse Mäuse seht. Zwölf hats geschlagen. Der Tag ist voll und leer das Fass und pisst nicht ständig auf die Gass wenn ihr nach Hause wanken tut, sonst kommt die Obrigkeit in Wut. Zwölf hats geschlagen. Leute, Leute, hört mein Tuten und lässt raten euch im Guten: Ihr Eheleut geht auseinand' Mass ist Gebot im Ehestand Eins hats geschlagen Seid nicht so wild und haltet haus, sonst hängts euch bald zum Hals heraus, Ein Schlag ist gut und auch genug, hat er nur Kraft und rechten Schwung Eins hats geschlagen Leute, Leute, hört mein Tuten und lässt raten euch im Guten: Ihr Halsabschneider im Kontor, legt euch nun endlich auch aufs Ohr. Zwei hats geschlagen. Ihr zählt und rechnet nächtelang ihr treibt den Schuldner an den Strang und scheffelt Geld von fürh bis spät bis man euch selbst den Hals umdreht. Zwei hats geschlagen. Leute, Leute, hört mein Tuten und lässt raten euch im Guten: Ihr Tippelbrüder im Bereich, es war schon lange Zapfenstreich Drei hats geschlagen. Schleicht heimlich an der Mauer lang und pennt auf einer Kirchenbank. Euch scheuicht der Wind, euch drückt der Schuh, Ich drücke beide Augen zu. Drei hats geschlagen. Leute, Leute, hört mein Tuten und lässt raten euch im Guten: Ihr Sterngucker unterm Dach steigt jetzt in euer Schlafgemach. Vier hats geschlagen. Die Sterne sind so weit und fremd. Viel näher ist die laus im Hemd. Es wird schon hell, der Haushahn kräht, Der Hahnrei aber merkt zu spät wieviel's geschlagen! Chanson (refrain) ------- Ich bin das geworden was man aus mir gemacht hat. Ich bin es volkommener geworden als man es je gedacht hat! Man wirft sich nur einmal im Leben weg. Alles weitere ist nicht so schwer. Steckt man erst bis zum Hals im Dreck, dann zählt man die Männer nicht mehr.