Mittelalterliche Tischsitten

Mittelalterliche Tischsitten
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Messer und Gabel wurden nur zum Servieren der Speisen benutzt. Löffel dienten zum Essen der Suppe . Außerdem wurde der Weinkrug mit dem Nachbarn geteilt. Eine Scheibe Brot ersetze den Teller. Wenn man das Brot vor dem ersten Gang aß galt man als unbeherrscht. Steckte man ein zu großes Stück in seinen Mund wurde man als Fresser angesehen. Um sich nicht zu verschlucken mußte das Essen gut gekaut werden. Erst wenn der Mund leer war durfte getrunken werden. Sonst galt man als Säufer. Solange der Mund voll war sollte nicht gesprochen werden. Es gab die Anweisungen nicht zu viel zu trinken, nicht über das Essen zu klagen und beim Speisen keinen Lärm zu machen. In Gegenwart einer Dame sollte man alles Derbe und Unziemlich vermeiden. Man sollte die abgegessenen Knochen nicht wieder in die Schüssel legen, nicht mit den Fingern in die Soße oder in den Senf greifen, nicht in das Tischtuch schneuzen, nicht in das heiße Getränk blasen, sich nicht beim Essen über den Tisch legen, sich nicht mit der bloßen Hand an der Kehle kratzen und nicht in die Hand schneuzen. Die meisten Tischregeln lassen sich als Hygienevorschriften erklären, die auf die realen Begebenheiten beim Essen Bezug nahmen. Man sollte sich den Mund nicht mit den Händen abwischen. Am besten zog man sich aus der Affäre, indem man seine eigene Kleidung zum Abwischen benutzte. Ähnlich verhielt es sich beim Schneuzen. Wenn man weder das Tischtuch noch die Hand benutzen durfte, blieb nur der Ärmel. Die Tischzuchten wurden von der Überzeugung getragen, daß die höfische Gesellschaft sich durch die Einhaltung solcher Regeln vom Volk unterschied. Dies ist in sofern ein wichtiges Zeugnis für das Selbstbewußtsein der höfischen Gesellschaft und zugleich für die Verfeinerung der gesellschaftlichen Umgangsformen in der höfischen Zeit.

Im Mittelalter aß man selbst in der vornehmen Gesellschaft mit den Fingern, teilte sich mit seinem Nachbarn oder seiner Nachbarin zuweilen den Löffel und das Trinkgefäß und bediente sich seiner Hände, um wie die anderen Gäste die Fleischstücke aus der gemeinsamen Schüssel oder aus dem großen Topf zu "fischen". Dadurch waren allein schon aus hygienischen Gründen bestimmte Verhaltensmaßregeln beim gemeinsamen Mahl erforderlich. Zuerst einmal mußte man sicher sein, daß alle Teilnehmer saubere Hände besaßen. Deshalb wurde das "öffentliche Handwaschen" eingeführt. So hatten Diener vor Beginn jeder Mahlzeit Wasserkannen, Handbecken und Handtücher bereitzustellen. Nach dem gemeinsamen Essen erschienen sie ein zweites Mal, damit sich die Gäste ihre Hände erneut säubern konnten. Und dann gab es noch die Tischsittenregeln, die um 1200 zuerst im adligen Kreis, später jedoch auch von den Bürgern und von den Bauern beherzigt wurden.

Sie schrieben z.B. folgendes vor:

"Keine langen Fingernägel, weil sie Krätze verursachen. Halte den Platz vor dir sauber und wirf keine Abfälle unter den Tisch. Schneuz dich nicht zu laut, und wenn du schneuzen mußt, dann tue es nicht mit der Hand, die das Fleisch anfaßt. Bei Tisch kratzt man sich nicht und spuckt nicht über den Tisch. Säubere deine Zähne nicht mit der Messerspitze. Tu Salz auf deine eigene Brotscheibe und tunke nicht das Fleisch ins Salzfaß. Wenn du Brot in den Wein tauchst, trinke den Wein ganz aus oder gieß den Rest auf die Erde. Leg nicht die Ellenbogen auf den Tisch, wie es die reichen Leute tun. Die Hand, mit der du das Fleisch aus der gemeinsamen Schüssel nimmst, sei nicht fettig oder schmutzig. Es ist wenig schicklich, sich die Finger abzulecken. Nage nicht die Knochen mit den Zähnen ab oder mit den Fingernägeln. Aber du darfst sie mit dem Messer abkratzen. Alles was sich an Abfall ansammelt (Brotkrusten, Käserinden, Obstschalen, Knochen), leg in einen hierfür bestimmten Korb oder eine Schale, oder wirf die Knochen unter den Tisch, aber nahe an deine Füße und ohne jemanden zu verletzen."

Aber nicht alles wurde klar und eindeutig geregelt. Wie ging man z.B. vor, wenn man das gemeinsame Trinkgefäß benutzen wollte, aber einen fettigen Mund hatte? Taschentücher und Servietten gab es erst im 14./15. Jh.! Einige Tischregeln schlugen in solchen Situationen vor, sich des breiten, überhängenden Tischtuches zu bedienen. Nur die Augen und Zähne sollte man sich damit bitte nicht reinigen - und auch nicht hineinschneuzen! Andere Tischregeln verboten wiederum eben Gesagtes und forderten zum "Wisch den Mund mit deiner Hand ab!" auf. Ja, und was machte man, wenn man unter starkem Schnupfen litt und Taschentücher nicht vorhanden waren? Ins Tischtuch schneuzen war verboten! Genau, da blieb nur noch die Kleidung! Und die benutzten die mittelalterlichen Menschen auch reichlich, um ihre fettigen Finger oder den schmutzigen Mund zu säubern oder die Nase vom Schnupfen zu befreien. Erst im 15. Jh. wurden die Servietten, die in der Antike schon verwendet worden waren, wiederentdeckt. "Die Etikette schrieb vor, das Mundtuch entweder über die Schulter oder dem linken Arm zu tragen. Bei höfischen Tafeleien mit äußerst verfeinerten Sitten kam es vor, daß die Servietten parfümiert und vorgewärmt waren, und daß sie nach jedem Gang, wie manchmal sogar die Tischtücher, ausgewechselt wurden."